Dem Thema Chorgestühl der Zisterzienser widmet sich mein Aufsatz, der 2023 in der Cistercienser Chronik erschienen ist. (Bd. 130, S. 342-359)

 

1927 formulierte Fritz Neugass seine These von der Existenz eines zisterziensischen Chorgestühlstypus. Er sieht „in dem ganzen Gebiet ihres Wirkungskreises […] eine fast durchweg einheitliche Form für die Zeit der Gotik.“[1] Neugass stützt sich dabei auf Studien, die den Gestühlsbestand aufgrund scheinbarer regionaler Charakteristika differenzierten.[2]Leitformen waren die unterschiedlich geformten Abschlußwangen und das Vorhandensein bzw. Nichtvorhandensein eines Dorsales mit Baldachinabschluss. Zwei Vertreter der französisch-rheinischen Gruppe sind z.B. das Domgestühl in Köln oder das Gestühl in St. Viktor in Xanten. Das ihnen Typische sind die niedrigen oder zu einer Doppelvolute gedrehten Abschlusswangen sowie das fehlende Dorsale. Ein Baldachin oder Kranzbrett fehlt ebenso. Sie stehen also ohne hölzerne Rückwand vor der Chorschranke und wurden daher als offener Typ beschrieben.

Eben diese Bauteile, hohe Wangen und Baldachin/Kranzbrett, charakterisieren den geschlossenen Typ, den Curt Habicht in seiner 1915 veröffentlichten Studie mit dem niedersächsischen-ostdeutschen Typ gleichsetzt. Die ursprünglich dreiseitig im U-aufgestellte Gestühlsanlage in Loccum ist seines Erachtens das früheste Beispiel einer gehäuseartigen Gestaltung, die die Kleriker vollkommen von der Außenwelt abschirmte. Als Träger dieser neuen, gegenüber der offenen/rheinischen Gestühlsform sehr geschlossenen Form sieht er den Zisterzienserorden,

Neugass fügte der von Habicht herausgearbeiteten und mit dem Zisterzienserorden verknüpften gehäuseartigen Grundgestalt ein weiteres Element hinzu: Die über den Stallenwangen hinaus bis in die Baldachinzone fortgeführte Trennungswand. Diese Trennwände schirmten die benachbarten Sitze noch deutlicher voneinander ab und isolierten die darin sitzenden Mönche stärker voneinander. Walter Loose sollte schließlich für Gestühle mit Trennwänden den Begriff Zellentyp prägen, der untrennbar mit den Zisterziensern verbunden war.[3]

[1] Fritz Neugass: Mittelalterliches Chorgestühl in Deutschland. (Studien zur deutschen Kunstgeschichte, Bd. 249), Straßburg 1927, S. 71.

[2] Heribert Reiners: Die rheinischen Chorgestühle der Frühgotik: ein Kapitel der Rezeption der Gotik in Deutschland. (Studien zur deutschen Kunstgeschichte, Bd. 113), Straßburg 1909; Curt Habicht: Die niedersächsischen mittelalterlichen Chorgestühle. (Studien zur deutschen Kunstgeschichte. Straßburg 1915. Berechtigte Kritik an dieser landschaftlichen Typeneinteilung formulierte bereits Rudolf Busch: Deutsches Chorgestühl in sechs Jahrhunderten. Hildesheim/Leipzig 1928, S. 10.

[3] Walter Loose: Die Chorgestühle des Mittelalters. (Heidelberger kunstgeschichtliche Abhandlungen, Bd. 1), Heidelberg 1931, 10.

 

 

850 Jahre Weihe des Havelberger Doms

Fachtagung zur Geschichte, Architektur und Kunst vom 12. bis 14. Juni 2020

Update: Der Tagungsband ist 2024 im Lukas Verlag erschienen.

Vor genau 850 Jahren wurde nach zwanzigjähriger Bauzeit der Havelberger Dom St. Marien als erste und größte Kirche des Bistums Havelberg geweiht. Die Weihe am 16. August 1170 vollzog Erzbischof Wichmann von Magdeburg gemein-sam mit allen Bischöfen seiner Kirchenprovinz.
Das Jubiläum der Dom-Weihe bildet den Anlass für eine Tagung, die sich nicht nur dem historischen Ereignis und seiner Protagonisten, sondern auch dem Gebäude des Domes und seiner künstlerischen Ausstattung widmet. So werden neben historischen und kirchengeschichtlichen Kontexten auch neue Ergebnisse und Überlegungen zur Architektur- und Baugeschichte des Domes und der Klausur sowie zu ausgewählten mittelalterlichen Ausstattungsstücken vorgestellt. Veranstaltet von der Kulturstiftung Sachsen-Anhalt, dem Förderkreis Alte Kirchen Berlin-Brandenburg e.V. und dem Prignitz-Museum am Dom Havelberg, wird die Tagung zudem vom Verein für Geschichte der Prignitz e.V., der Studienstiftung Dr. Uwe Czubatynski sowie dem Verein Freunde und Förderer des Prignitz-Museums e.V. gefördert.

Veranstaltungsort:
Paradiessaal am Havelberger Dom, Domplatz 3, 39539 Havelberg

 

Ich stelle in diesem Rahmen das Havelberger Chorgestühl und seine Charakteristika vor. Von besonderem Interesse sind einzelne Merkmale wie Größe und die Zusammensetzung der Gestühlsblöcke, die möglicherweise auf typische Eigenarten des Prämonstratenserordens hinweisen.